Den ersten Nobelpreis für Physik überhaupt erhielt im Jahr 1901 Wilhelm Conrad Röntgen für die Entdeckung einer neuartigen Strahlung. Heute wissen wir: Er hatte nicht etwa eine grundsätzlich neue Art von Strahlung entdeckt, sondern das elektromagnetische Spektrum, welches bis zu diesem Zeitpunkt erst von den Radiowellen bis hin zum sichtbaren Licht bekannt war, hin zu kürzeren Wellenlängen erweitert.
Licht, Radiowellen und Röntgenstrahlung sind im Prinzip das gleiche Phänomen: Elektromagnetische Strahlung. Je nach Wellenlänge bzw. Frequenz überwiegen dabei die Wellen- oder Teilcheneigenschaften dieser Strahlung: Während im Radiobereich die Wellenbeschreibung am effektivsten ist, beginnt etwa im Bereich des sichtbaren Lichts die Teilcheneigenschaft der Photonen sichtbar zu werden.
Energie lässt sich je nach Anwendungszweck in unterschiedlichen Einheiten angeben. Die SI-Einheit ist das Joule. Den Energiegehalt von Nahrungsmitteln wird in der veralteten Kilokalorie angegeben, Strom in Kilowattstunden abgerechnet. Um mit der Energie einzelner Photonen oder elementarer Materieteilchen arbeiten zu können, hat sich das Elektronenvolt etabliert: Es ist die Bewegungsenergie, die ein Elektron besitzt, wenn es durch eine Spannung (z. B. in einem Kondensator) von einem Volt beschleunigt wurde. In modernen Röntgengeräten wird mit einer typischen Beschleunigung-sspannung von 50 000 Volt gearbeitet, was Elektronen und daraus resultierende Photonen mit 50 keV (Kilo-Elektronenvolt, also 50 000 Elektronenvolt) ergibt.
Röntgens Entdeckung ermöglichte neue Erkenntnisse in anderen Wissenschaftsgebieten. Du kennst wahrscheinlich die medizinischen Röntgenaufnahmen, auf denen Knochen und einige wenige andere Strukturen des Körpers zu sehen sind, während die weichen Gewebeteile durchsichtig bleiben. Doch warum sind manche Stoffe durchsichtig für Röntgenstrahlen, andere aber nicht? Die Röntgenphotonen sind sehr kurzwellig (kleiner als 10 Nanometer, also 10 Milliardstel Meter) und besitzen damit eine hohe Energie von mehr als 100 Elektronenvolt pro Photon. Zum Vergleich: Um Elektronen aus der Atomhülle herauszuschlagen, braucht man oft nur zwei bis fünf Elektronenvolt. Die Röntgenstrahlung ist daher stark ionisierend: Sie kann ein Atom in ein Ion umwandeln, also in ein Atom, dem eines oder mehrere seiner Elektronen fehlen.
Dabei schlägt die Röntgenstrahlung nicht nur die äußeren Elektronen aus dem Atom heraus, sondern kann auch die viel stärker gebundenen inneren Elektronen knacken. Bei jedem dieser Vorgänge geht die Energie des Röntgenphotons auf das Elektron über, das Röntgenphoton wird dabei vernichtet. Wie stark diese Vorgänge die einfallende Röntgenstrahlung abschwächen, hängt sehr stark von der Ordnungszahl des Elements ab, also der Anzahl der Protonen im Atomkern. Wasserstoff besitzt die Ordnungszahl 1. Kalzium, das besonders in Knochen vorkommt, hat die Ordnungszahl 20. Und Blei, mit dem die Röntgenstrahlung besonders stark abgeschirmt wird, hat die Ordnungszahl 82. Diese Ordnungszahl geht mit der vierten Potenz in die Gleichung ein, mit der man die Abschwächung der Röntgenstrahlung durch den beschriebenen Effekt berechnet. Blei ist demnach für Röntgenstrahlung fast 50 Millionen Mal schwieriger zu durchdringen als Wasserstoff. Kalzium bringt es immerhin auf eine 20×20×20×20=160 000-fache Abschattung der Röntgenstrahlung, sodass Knochen und Zähne gut im Röntgenbild sichtbar werden. Hinzu kommen weitere Effekte, wie die sogenannte Compton-Streuung, und bei höheren Energien die Bildung von Elektron-Positron-Paaren aus den Photonen. Diese Phänomene schwächen die Röntgenstrahlung weiter ab.
Diese Interaktionen der Röntgenphotonen mit Materie können allerdings auch Schaden anrichten. So verändert Ionisation die DNA lebender Zellen, wodurch sich die Zellen in Krebszellen verwandeln können. Daher sind moderne Röntgenapparate darauf ausgelegt, mit möglichst wenigen Photonen ein medizinisch verwertbares Bild zu erzeugen, sodass das Risiko eines Strahlenschadens durch eine einzelne Aufnahme gering ist. Gezielt eingesetzte hochdosierte Röntgenstrahlung kann hingegen Krebs bekämpfen, da das Tumorgewebe empfindlicher auf die Röntgenstrahlung reagiert als viele gesunde Zellen. Strahlentherapie basiert genau auf diesem Unterschied.
Elektronen werden mit einer Spannung von einigen Tausend Volt beschleunigt. Sie treffen dann auf eine Metallanode, in der sie abgebremst werden – so entsteht Röntgenstrahlung als kontinuierliche Bremsstrahlung, ergänzt um charakteristische Wellenlängen durch Elektronenübergänge, wenn innere Elektronen aus den Atomhüllen herausgeschlagen und die Plätze von Elektronen aus den Außenbereichen der Atome aufgefüllt werden.
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