Highlights der Physik

Riesige Forschungsanlagen dienen als besondere Lichtquellen, mit denen man der Natur ganz genau auf die Finger schauen kann.

Der Untergrund im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld beherbergt nicht nur Kanalisation, Kabel und Wasserrohre. Vor sechzig Jahren wurde dort ein Tunnelsystem gegraben, in dem seither in kilometerlangen Vakuumrohren Elektronen auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Am größten dieser Beschleuniger, HERA, wurde in den 1990er- und 2000er-Jahren die Struktur der Bestandteile der Atomkerne untersucht. Heute ist HERA stillgelegt und der zweitgrößte der Ringbeschleuniger, PETRA, in seiner dritten Ausbaustufe PETRA III, dient als besonders brillante Lichtquelle.

Aus Elektronen wird Licht

In einem Ringbeschleuniger werden Elektronen, Protonen oder andere kleine elektrisch geladene Teilchen durch elektrische Felder beschleunigt. Das Prinzip ist das gleiche wie das der früheren Röhrenfernseher. Während dort allerdings die Beschleunigungsspannungen für die Elektronenstrahlen auf unter 27 000 Volt begrenzt waren, durchwandern die Elektronen in PETRA III eine Spannung von 6 Milliarden Volt. Daraus wird Licht (bzw. allgemeiner elektromagnetische Strahlung), wenn die Elektronen gebremst oder aus ihrer Bahn gebracht werden. Und das werden sie in einem Ringbeschleuniger ständig, denn sonst würden sie ja einfach geradeaus weiterfliegen.

Um in einem Ringbeschleuniger auf einer Kreisbahn gehalten zu werden, müssen die lichtschnellen Teilchen fortwährend zum Kreismittelpunkt hin beschleunigt werden. Mit einer Seilschleuder ist das leicht nachzuvollziehen: Die Schnur muss immer zur Mitte hin eine Kraft übertragen. Durch diese Beschleunigung strahlen Elektronen Strahlung in Flugrichtung aus: die Synchrotronstrahlung.

© CC BY-SA 4.0 awk/jk

Noch gezielter können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Licht beeinflussen, wenn sie die Elektronen durch speziell gestaltete Magnetfelder lenken. In diesen werden sie minimal aus ihrer Bahn in eine Wellenbewegung gekickt und senden so – nach dem zuvor beschriebenen Mechanismus – elektromagnetische Strahlung aus. Die Stärke der Magnetfelder und die Abmessungen dieser sogenannten Undulatoren bestimmen, welche Eigenschaften das Licht bekommt.

Die Synchrotronstrahlung kann ganz gezielt intensiviert und kontrolliert werden, indem die Elektronen in bestimmten Kreisbahnabschnitten durch wechselnde Magnetfelder – sogenannte Undulatoren – geleitet werden. Durch die geschickt angeordneten wechselnden Magnetfelder wird das Licht noch stärker gebündelt und seine Wellenlänge eingestellt.

© European XFEL /Option Z

Die Forschenden können das Licht mit den verschiedenen Komponenten des Beschleunigers so einstellen, dass es besonders kurzwellig ist (damit man kleine Strukturen erkennen kann), besonders parallel (damit es scharfe Abbildungen erlaubt) und möglichst einfarbig (damit man Beugungsmuster erkennen kann). So ist es ein wertvolles Werkzeug zur Erforschung von Materialien oder biologischen Molekülen.

Aus Lichtblitzen werden Filme

Wenn man außerdem dem Ablauf chemischer Reaktionen zusehen will, dann benötigt man besonders kurze Lichtpulse in schneller Folge. Während ein Fernsehbild üblicherweise 50-mal pro Sekunde mit einer Belichtungszeit von einer Hundertstelsekunde aufgenommen wird, erlaubt der Europäische Röntgenlaser „European XFEL“ in der Nähe von Hamburg 27 000 Aufnahmen pro Sekunde mit einer Belichtungszeit von unter einer zehntel Picosekunde (eine Billionstel Sekunde). Das Licht legt in dieser Zeit gerade einmal eine Strecke von 30 Metern zurück. Dabei hat das Röntgenlicht zusätzlich sogar die Laser-Eigenschaften, die schon für sichtbares Licht so vielfältige Anwendungen ermöglichen.



Bild: awk/jk, mit Originalbildern von PETRA III ©DESY 2012. BESSY II ©HZB/Volker Mai. XFEL ©European XFEL. ESRF ©ESRF/Pierre Jayet. FLASH ©DESY 2009.

Aus Fragen Werden Antworten

Die Messinstrumente werden am Ende von Strahlführungen aufgestellt, wobei der englische Begriff „Beamline“ viel gebräuchlicher ist. In Berlin steht mit BESSY II ein Synchrotron (also ein Ringbeschleuniger wie PETRA III) mit 45 solcher Beamlines, die parallel betrieben werden. Je nach wissenschaftlicher Fragestellung können die Beamlines darauf optimiert sein, Materialproben unter hohem Druck, bei hoher oder niedriger Temperatur oder in flüssigen oder gasförmigen Zuständen zu untersuchen. Im April 2020 nutzten Forschende einen Aufbau an PETRA III, um in kürzester Zeit fast 6000 medizinische Wirkstoffe darauf zu überprüfen, ob sie eine Wirkung auf das Coronavirus SARS-CoV-2 haben. Das war Arbeit im Akkord! Mithilfe eines Roboterarms wurden die Probenbehälter in nur drei Minuten je potenziellem Wirkstoff automatisiert untersucht. Die darauffolgende, ebenfalls automatisierte Datenanalyse identifizierte 13 Wirkstoffe, die an eines der Virusproteine andocken und möglicherweise die Basis für ein zukünftiges Medikament gegen Covid-19 sein könnten. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, große Forschungszentren zur Verfügung zu haben, die flexibel und bei Bedarf auch sehr schnell für verschiedene wissenschaftliche Fragestellungen genutzt werden können. Für Bau und Betrieb der Forschungseinrichtungen und zur Förderung von Forschungsprojekten an ihnen stellt der Bund in jedem Jahr rund 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung.

Mit einem Roboter wurden Tausende Wirkstoffproben in kürzester Zeit mit dem Röntgenlicht von PETRA III auf Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 untersucht.

© Marta Mayer, DESY
Titelbild: © European XFEL / Jan Hosan